Gegen den Terror: „Die freie Gesellschaft ist nicht ohnmächtig“
Fünf Tage vor Heiligabend wird Deutschland Ziel eines furchtbaren Anschlags. Auf dem Breitscheidplatz in Berlin rast ein Terrorist mit einem LKW auf den Weihnachtsmarkt - zwölf Menschen sterben, es gibt dutzende Verletzte. In dieser Woche gedachte der Deutsche Bundestag der Opfer und diskutierte Maßnahmen für mehr Sicherheit.
„Der Schmerz der Hinterbliebenen ist unermesslich, allenfalls können wir ihn erahnen, aber wir teilen die tiefe Trauer“, machte Bundestagspräsident Norbert Lammert zu Beginn der Plenarsitzung deutlich. Terror ziele darauf ab, so Lammert, demokratische Gesellschaften zu erschüttern, zu lähmen, zu destabilisieren. „Dieses Ziel haben die Terroristen in Deutschland nicht erreicht.“ Die Bevölkerung reagierte mit bemerkenswerter Besonnenheit auf den Terror. Sie demonstrierte damit eindrücklich, sich ihr Leben nicht von Drohungen und nicht von Angst diktieren lassen zu wollen.
Lammert betonte, dass die Bürger vom Staat zu Recht erwarteten, dass er sie schütze, dass er Vorsorge treffe gegen mögliche Gefahren. Deshalb habe er seine Handlungsfähigkeit auch und gerade unter der islamistischen Terror-Gefahr zu beweisen. Im Fall Amri bleiben nach dem verheerenden Attentat vom Breitscheidplatz drängende Fragen, auf die es noch keine abschließenden Antworten gibt. „Die Erkenntnisse über den Täter, der, obwohl als Gefährder eingestuft, den zuständigen Behörden bekannt, mit zahlreichen falschen Identitäten ausgestattet, ungehindert zuschlagen konnte, zwingen uns, die Sicherheitsarchitektur in unserem Land zu überdenken“, so Lammert.
„Es geht darum, Fehler bei allen Behörden sowie Vollzugsdefizite und gesetzgeberische Defizite rückhaltlos und nachdrücklich aufzudecken“, machte zuvor auch der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Stephan Mayer, in einer Aktuellen Stunde deutlich. In der von CDU/CSU und SPD beantragten Debatte diskutierten die Abgeordneten bereits am Mittwoch über Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit. Mayer lobte den vom Bundesinnenminister und Bundesjustizminister gemeinsam vorgelegten Zehn-Punkte-Plan. Er unterstrich jedoch: „Kein einziger dieser Punkte ist neu. Kein einziger dieser Punkte ist erst nach dem Anschlag vom 19. Dezember auf das Tableau gekommen.“ Der Vorwurf, den Anschlag für eine Verschärfung der Sicherheitsgesetze zu instrumentalisieren, sei deshalb absurd. Vielmehr gehöre zur Wahrheit, dass alle zehn Punkte von der Union seit vielen Monaten gefordert worden sind. „Es gibt seit Oktober vergangenen Jahres sogar fertige Gesetzentwürfe“, so Mayer. Doch leider seien diese daran gescheitert, dass sich der Koalitionspartner SPD dem nicht anschließen wollte.
Im Detail gehe es dabei um einen eigenen Haftgrund für Gefährder oder um die Verlängerung des Ausreisegewahrsams. Auch forderte die Union und speziell die CSU-Landesgruppe, bereits seit längerem ein härteres Vorgehen gegen Personen, die ihre Identität verschleiern und bei ihrer Identitätsfeststellung nicht mitwirken – so wie es der Täter vom Breitscheidplatz tat. Bereits 2016 hatte die CSU-Landesgruppe auf ihrer Klausurtagung beschlossen, verurteilte Gefährder rund um die Uhr mit Hilfe einer elektronischen Fußfessel zu überwachen. Außerdem will die CSU-Landesgruppe Transitzentren einrichten, in denen die Identität der Flüchtlinge geprüft wird.
Erhebliche Defizite, so betonte Mayer in seiner Rede, gebe es beim europäischen Datenaustausch. Hier benötige es dringend Verbesserungen. Dies mahnte auch Lammert in seinen Gedenkworten an. Der weltweiten Terrorgefahr könne man nur gemeinsam entgegentreten. „Und deshalb müssen wir endlich zu einer effektiven sicherheitspolitischen Zusammenarbeit in Europa und darüber hinaus kommen“, so Lammert. Er ergänzte: „Die freie Gesellschaft ist nicht ohnmächtig, auch sie kann und muss sich wehren.“