Ednan Aslan: Islamistischen Terror nicht auf religiösen Analphabetismus zurückführen
Welche Rahmenbedingungen braucht muslimisches Leben in Deutschland? Dazu diskutierten beim Islam-Gesprächskreis der CSU-Landesgruppe am vergangenen Donnerstag Heinrich de Wall, Professor für Kirchenrecht an der Universität Erlangen, und Ednan Aslan, Professor für islamische Studien an der Universität Wien. Aslan unterstreicht in seinem Gastbeitrag, dass den muslimischen Organisationen selbst eine zentrale Verantwortung bei der Integration zukommt.
VON PROFESSOR EDNAN ASLAN
Nach den Anschlägen und wachsenden Strukturen des politischen Islams macht sich quer durch Europa eine Ratlosigkeit und Verunsicherung breit. Es ist wieder die Rede von einer nie dagewesenen Herausforderung, vor der die westliche Gesellschaft stehe, und es erhebt sich abermals die Frage, wie diesem Phänomen beizukommen sei.
Ohne sachliche Debatte über die Motive des politischen Islams, ohne ausführliche Befassung mit seinen politischen, wirtschaftlichen und theologischen Wurzeln kann und wird es nicht gelingen, dieser akuten Gefährdung Europas auf angemessene Weise und wirksam entgegenzutreten. Zunächst gilt es, sich vor Augen zu führen, dass der politische Islam nicht über Nacht ein fester Bestandteil der europäischen Ballungszentren geworden ist – nicht nur gut informierte Kreise wissen, dass es ganz bestimmte Gegebenheiten sind, die Europa in den vergangenen Jahren zu einem wahren Magneten für den politischen Islam gemacht haben. Namentlich sind gewisse ausländische Staaten mit ihren religiösen und wirtschaftlichen Strukturen seit den 1980er Jahren in diesem Europa aktiv, bis zur Gegenwart konnten diese durch großzügige finanzielle Förderung gewährleisten, dass die Moscheen und islamischen Vereinsstrukturen immer noch fest in ihren Händen sind.
Politische, soziale aber auch theologische Gründe
Dass sich die islamischen Strukturen derart anfällig für den politischen Islam erweisen, hat neben politischen und sozialen eben auch dezidiert theologische Gründe. Diese werden von den Muslimen selbst kaum wahrgenommen beziehungsweise aufgezeigt werden, was freilich die Voraussetzung für eine entschiedene Ablehnung wäre. So darf der im Namen des Islams verübte Terror nicht – wie immer wieder behauptet – auf religiösen Analphabetismus zurückgeführt werden: Diese jungen, ideologisch fanatisierten Menschen, die weltweit mit einschlägigen Aktionen in Erscheinung treten, sind aufgrund ihrer Ausbildung in Sachen klassischer Lehre weit umfassender und intensiver gebildet als Imame in gewöhnlichen Moscheegemeinden. Die Gewalt, die von diesen jungen Menschen ausgeht, hat demnach sehr wohl theologische Hintergründe.
Muslimische Organisationen müssen für Integration sorgen
Solange es aber möglich ist, dass ein bestimmtes Islamverständnis die Errichtung des sogenannten „Islamischen Staats“ als religiösen Auftrag sieht, solange jegliche Kritik am Islam mit der Keule der Islamophobie-Ideologie zum Verstummen gebracht wird, solange an der Verfestigung eines Bildes gearbeitet wird, welches den Westen als Feind des Islams darstellt und junge Menschen zur Vernichtung der selbst geschaffenen Feinde zum Angriffsjihad motiviert werden, ist die Wiederholung solcher Anschläge in den Zentren Europas nur eine Frage der Zeit. Gleichwohl soll dieser Versuch einer knappen Darlegung der Gründe für islamisch motivierte Gewalt kein Anlass für Hoffnungslosigkeit oder Verzweiflung sein; er soll vielmehr den Anstoß geben zu einer sachlichen Debatte über wirksamere Integrationsmaßnahmen für die in Europa lebenden Muslime. Doch dabei kommt den muslimischen Organisationen eine zentrale Verantwortung zum Handeln zu – mit oberflächlichen Verurteilungen, die innergemeinschaftlich keinerlei Konsequenzen haben, können solche Probleme nicht gelöst werden. Denn diese werden ja teilweise aus Nachlässigkeit und aus Angst, politisch nicht korrekt zu handeln, selbst produziert. Eine berechtigte Frage, die ohne Rücksicht auf Political Correctness zu beantworten wäre, ist sicherlich jene, ob sich die muslimischen Organisationen, unter dem Einfluss der ausländischen Staaten, für eine echte Integration einsetzen können. Mit Milli Görüs, der Muslimbruderschaft oder der seit einigen Jahren sehr stark politisierten ATIB/DITIB dürfte dies jedenfalls kaum zu verwirklichen sein.