Hahn: Müssen Abrüstungsverträge kontrollfähig erhalten
Am Freitag debattierten die Abgeordneten auf Initiative der CDU/CSU-Fraktion über den 1987 unterzeichneten Vertrag über nukleare Mittelstreckenraketen. Der sicherheitspolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Florian Hahn, erklärt, warum.
Herr Hahn, was steht im Washingtoner Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme (INF-Vertrag) und warum ist er für die europäische Sicherheitspolitik so entscheidend?
Den INF-Vertrag haben 1987 die USA und die damalige UdSSR geschlossen. Er verpflichtet zur dauerhaften Abschaffung aller landgestützten Mittelstreckenraketen. Mit dem INF-Vertrag konnten echte Fortschritte bei der atomaren Abrüstung erreicht werden. Durch den Vertrag wurde die Zahl atomarer Trägersysteme tatsächlich reduziert. Außerdem sorgte er mit dafür, dass genügend gegenseitiges Vertrauen entstand, um auch Tausende atomarer Kurzstreckenwaffen aus Europa abzuziehen.
Warum diskutieren wir überhaupt über den Vertrag?
Grund für unseren Antrag ist die Befürchtung, dass Russland Mittelstreckenraketen getestet und landgestützte, mobile nuklearfähige Marschflugkörper stationiert hat. Das wäre ein Vertragsverstoß. Ohne funktionierenden INF-Vertrag wäre die NATO gezwungen, über parallele Maßnahmen nachzudenken – das kann niemand wollen! Wir fordern in unserem Antrag daher unter anderem, der Gefahr eines neuen nuklearen Wettrüstens entgegenzuwirken. Die Bundesregierung soll sich auf höchster politischer Ebene für die Bewahrung des INF-Vertragsregimes einsetzen. Das haben wir auch im Koalitionsvertrag vereinbart.
Statt utopische Projekte wie den Atomwaffenverbotsvertrag in den Vordergrund zu stellen, sollten wir lieber alles daransetzen, erst einmal die derzeit bestehenden Abrüstungs- und Rüstungskontrollverträge funktionsfähig zu erhalten. Mögliche russische Vertragsbrüche müssen schnell im Rahmen der vorgesehenen Gremien geklärt werden. Das schafft Vertrauen und ermöglicht in der Zukunft auch wieder ambitioniertere Abrüstungsinitiativen. Gerade angesichts der jüngsten Waffenpräsentationen Präsident Putins erscheint das dringend erforderlich.
Müssen wir Europäer unsere Rolle in der Sicherheitspolitik überdenken?
In der Tat zwingt die neue Weltlage uns Europäer zum Handeln: Wir müssen mehr in unsere gemeinsame Sicherheit investieren, strategisch autonomer werden und den Weg zu einer europäischen Verteidigungsunion weitergehen. Die jetzt in der EU vereinbarte Ständige Strukturierte Zusammenarbeit – oder PESCO – war überfällig. Mit der europäischen Verteidigung ergänzen und stärken wir die NATO.
Bislang geben wir Europäer das Geld ineffizient aus: Obwohl unsere gemeinsamen Budgets ungefähr die Hälfte des US-Verteidigungshaushaltes ausmachen, bekommen wir nach verschiedenen Schätzungen nur rund ein Viertel dessen, was die US-Streitkräfte erhalten. Durch engere Kooperation bei der Entwicklung und Beschaffung von Rüstungsgütern können wir mehr und besseres Material für unser Geld bekommen, reibungsloser zusammenarbeiten und unsere Verteidigungsindustrie wettbewerbsfähig halten.