Jetzt.Zukunft

Klausur der CDU/CSU Bundestagsfraktion

Wohlstand und Sicherheit auch morgen

Den Herausforderungen durch die Corona-Pandemie ist Deutschland kraft- voll, mit Augenmaß, Entschlossenheit und Tatkraft entgegengetreten. Wir alle – sowohl der Staat als auch seine Bürgerinnen und Bürger – haben in den vergangenen Monaten Außergewöhnliches geleistet. Mit den größten Konjunkturpaketen der bundesdeutschen Geschichte haben wir unsere Wirtschaft auf einen Erholungskurs gebracht. Unser erfolgreiches Kurzarbeits-Modell hält den Arbeitsmarkt stabil und unterstützt die Unternehmen dabei, wertvolle Arbeitskräfte für den Aufschwung nach der Krise zu halten.

Unsere Bürgerinnen und Bürger beweisen Eigenverantwortung. Das zeigt sich beim Einhalten der Abstandsregeln, beim Tragen von Masken, bei der Hilfe für Mitmenschen. Unsere Schulen öffnen wieder und setzen innovative und kreative Lösungen um, damit unsere Kinder auch unter Pandemiebedingungen unterrichtet werden.

Ein entschlossen handelnder Staat und engagierte Bürgerinnen und Bürger sind die beste Voraussetzung, damit Deutschland gestärkt aus der Krise her- vorgehen kann. Jetzt haben wir die Chance, die Weichen für unser Land neu zu stellen. Jetzt sind wir in der Pflicht, Deutschland fit und wettbewerbsfähig für das 21. Jahrhundert zu machen. Jetzt müssen wir die Grundlagen legen, um Wohlstand und Sicherheit langfristig zu erhalten.

Die Zukunft gestalten wir – jetzt.

1. Wir modernisieren

In diesen Tagen darf es nicht einfach darum gehen, die Pandemie zu bewältigen. Jetzt gilt es, unserem Land dauerhaft einen Platz unter den erfolgreichsten Industrienationen zu sichern. Dafür setzen wir auf Modernisierung und Digitalisierung.

a) Zukunftsquote für den Bundeshaushalt

Wir haben in den vergangenen Jahren bereits viel in Bildung und Forschung, neue Technologien und unsere Infrastruktur investiert. Auch mit dem Konjunktur- und Zukunftspaket hat die Koalition sich ganz konkrete Zukunftsprojekte vorgenommen. Das allein reicht noch nicht. Wir müssen den Bundeshaushalt generell stärker auf Zukunftsprojekte ausrichten.

b) „Neustaat“ kreativ und auf neuen Wegen umsetzen

Mit „Neustaat“ haben fast 30 Abgeordnete unserer Fraktion zusammen mit Verwaltungsexperten über 100 innovative Ideen für ein leistungsfähiges, modernes Staatswesen im Sommer vorgelegt. Die Umsetzung ist klassischer Weise Aufgabe von Bundes- und Landesverwaltungen. Dennoch wollen wir uns jetzt aktiv bei der Umsetzung mit unserem Sachverstand und unserer Erfahrung einbringen. Wir packen mit an.

c) Digitale Bildungsoffensive

Mit dem Digitalpakt Schule hat der Bund in den vergangenen Jahren in großem Umfang Länder und Gemeinden bei Investitionen in die digitale Bildungsinfrastruktur unterstützt. Doch die Corona-Krise hat den großen Nach- holbedarf bei der Ausstattung mit digitalen Endgeräten von Schulen und Lehrern aufgezeigt. Daher hat der Koalitionsausschuss am 25. August 2020 eine finanzielle Unterstützung der Länder beschlossen.

Mit der Diskussion um Geräte muss auch die Diskussion um Inhalte digitaler Bildung einhergehen. Wir wollen, dass digitales Fachwissen und neue Arbeitsmethoden als zusätzliche Grundlagenkompetenz Eingang in die Unterrichtsgestaltung finden. Dazu gilt es, neue Wege zu gehen.

→ Wir arbeiten mit an der Umsetzung neuer Ideen aus „Neustaat“, damit unser Staat moderner wird und Innovationen gelingen. Daher wird sich eine Projektgruppe aus Mitgliedern unserer Fraktion mit Praktikern um die Umsetzung von 3 konkreten Projekten innerhalb der nächsten 12 Monate kümmern.

→ Die Länder sollen bis zum Frühjahr 2021 jeden Lehrer mit einem dienstlichen Endgerät (Tablets bzw. Laptops) ausstatten. Wir fordern die Bundes- und Landesregierungen auf, entsprechend schnell die Voraussetzungen dafür zu schaffen.

→ Wir fördern innovative Bildungsideen und unterstützen als Bund mit dem Digitalpakt Schule, der Bildungsplattform und den Bildungskompetenzzentren die Länder dabei, die Voraussetzungen für eine neue Lernkultur an unseren Schulen zu schaffen 

2. Wir unterstützen

Die Familien und unser Gesundheitssystem sind in der Corona-Pandemie neuen Belastungen ausgesetzt – unsere Aufgabe ist es, ihnen zu helfen.

Eltern haben in den vergangenen Monaten Enormes geleistet bei der Bewältigung des Alltags, im Beruf, bei der Betreuung und Beschulung von Kindern. Daher wollen wir sie weiter stärken und mit einer guten Betreuungsstruktur den Alltag erleichtern.

Außergewöhnliches Engagement bewiesen auch unsere Ärzte, Pfleger und Fachkräfte. Sie alle sind wichtiger Bestandteil eines hervorragenden Gesundheitssystem, dessen Fundament nun ausgebaut werden muss.

a) Das Fundament unserer Zukunft stärken – konkrete Hilfe für Familien

Der Bund hat in den vergangenen Jahren mit Milliarden massiv den Ausbau von Kitas vorangetrieben. Und das mit Erfolg: Deutschland ist familienfreundlicher geworden. Diesen Weg wollen wir weitergehen, denn aus Kitakindern werden Grundschulkinder.

b) Mehr Ärzte für unser Land

Deutschland verfügt über eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Das hat sich in den letzten Monaten gezeigt. Damit das so bleibt, brauchen wir u. a. genügend Ärzte, die in Kliniken, Praxen oder im öffentlichen Gesundheitsdienst arbeiten. Wenn man sich die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, neue Arbeitszeitmodelle und die alternde Gesellschaft vor Augen führt, wird klar, dass mehr Ärzte ausgebildet werden müssen. Der Ärztemangel ist besonders auf dem Land spürbar. Zudem müssen wir bereits jetzt Vorsorge treffen für 2030, wenn die Ärztegeneration der Babyboomer in den Ruhestand geht. Gleiches gilt für alle weiteren Bereiche des Gesundheitswesens.

→ Der Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder ab 2025 muss zwischen der Bundes- und den Landesregierungen bis Ende dieses Jahres vereinbart werden.

→ Wir unterstützen Familien mit der Erhöhung des Kindergeldes um 15 Euro und die Erhöhung des Kinderfreibetrages zum 1. Januar 2021. Dieses Gesetz werden wir zügig beraten.

→ Wir wollen die Medizinstudienplätze mittelfristig um 5.000 aufstocken. Dabei sollte die Aufstockung der unmittelbaren Patientenversorgung in Deutschland insbesondere auf dem Land zugutekommen und die Landarztquote erhöht werden.

3. Wir schützen

Extremisten wollen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpfen. Sie versuchen, Grenzen zu verschieben, sie provozieren, sie schrecken nicht vor Gewalt zurück. Wir werden die vollen Möglichkeiten unseres Rechtsstaates dafür einsetzen, um sie frühzeitig zu enttarnen. Und wenn sie Straftaten begehen, muss der Staat sie konsequent, schnell und mit voller Härte betrafen.

a) Extremismus umfassend bekämpfen – auch digital

Wir bekämpfen Extremisten im Netz und auf der Straße. Dass wir dabei noch schlagkräftiger werden müssen, zeigen die rechtsextremistischen und antisemitischen Taten z. B. in Hanau und Halle, der islamistische Angriff auf der Berliner Stadtautobahn und die regelmäßigen linksextremistischen Taten z. B. in Leipzig. Damit solche Extremisten wirksamer bekämpft werden können, muss der Verfassungsschutz mehr Befugnisse bekommen. Bestehende Befugnisse müssen in der digitalen Welt anwendbar bleiben. Insbesondere müssen wir unsere Sicherheitsbehörden besser in die Lage versetzen, digital kommunizierende Extremisten und Täter frühzeitig zu erkennen und ausfindig zu machen.

b) Strafrecht bei Mindest- und Bewährungsstrafen überprüfen

Wir passen das Strafrecht immer wieder punktuell neuen Lebenswirklichkeiten an, so wie aktuell die Regelungen zur Bekämpfung des Kindesmissbrauchs. Dabei ist es wichtig, dass genügend hohe Strafrahmen in der Praxis nicht nur schuldangemessene Strafen, sondern auch den Einsatz geeigneter Ermittlungsinstrumente gestatten. Ob beim Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, beim tätlichen Angriff auf sie, bei Straftaten unter Drogen- o- der Alkoholeinfluss, bei den als Bagatellkriminalität ausgestalteten Computerdelikten oder beim Cybermobbing: Bei einer Vielzahl von Delikten hat sich gezeigt, dass die derzeitigen Strafrahmen auf den Prüfstand gehören. Auch das System der Bewährungstrafen wollen wir überprüfen, wie es seinem Anspruch einer effektiven Warnfunktion für den Täter unter Berücksichtigung der Opfer besser gerecht werden kann. Dabei gilt es auch, Kettenbewährungen abzuschaffen.

→ Den Gesetzentwurf zum Verfassungsschutz muss die Bundesregierung zügig vorlegen, eine Verzögerung ist nicht hinnehmbar. Wir wollen darüber hinaus das Bundeskriminalamt personell weiter stärken, damit wir im Kampf gegen Extremisten, die Organisierte Kriminalität und die Drogenkriminalität den Verfolgungsdruck erhöhen.

→ Wir wollen mit Experten analysieren, ob die Mindest- und Höchststrafen noch heutigen Wertvorstellungen entsprechen und wie Bewährungsstrafen effektiver ihr Ziel einer Strafe mit Warnschuss erreichen.

4. Wir bewahren

Wir haben zum Schutz der Umwelt und des Klimas viel auf den Weg gebracht, um die Natur zu bewahren und den Klimawandel abzuschwächen. Eine nach- haltige Politik geht aber über Klima- und Umweltschutz hinaus: Sie umfasst die Nutzung neuer Technologien zur Bewältigung der Menschheitsprobleme, eine kluge Verkehrspolitik, eine innovative Landwirtschaftspolitik und eine solide Finanz- und Haushaltspolitik.

a) Generationengerechtigkeit: Finanzielle Solidität wichtig

In der Corona-Krise zu sparen und rigide auf die „Schwarze Null“ zu setzen, hätte die Krise erheblich verschärft und war daher keine Alternative. Dennoch kann und darf die Corona-Pandemie nicht als dauerhafte Ausrede zum Schuldenmachen dienen. Wir stärken jetzt gezielt unsere Wirtschaft, verbessern Strukturen und investieren in die Zukunft. Ab 2022 müssen wir den Bundeshaushalt wieder im Rahmen der normalen Schuldenbremse aufstellen. Denn nur so schaffen wir nötige Finanzpolster für künftige Krisen und hinterlassen unseren Kindern und Enkeln keinen unbeherrschbaren Schuldenberg.

b) Vermeidung von und höhere Recyclingquote bei Plastikmüll

Zu einer nachhaltigen Wirtschaft gehört auch die Vermeidung von Abfall, Wiederverwendung und Recycling. Wir haben hier in den vergangenen Jahren durch umfangreiche rechtliche Vorgaben bereits wichtige Fortschritte erzielt. Wir wollen Stoffkreisläufe schließen und so zu einer größeren Ressourceneffizienz beitragen. Dazu erhöhen wir die Recyclingquoten weiter und werden Recyclingtechnologien weiter ausbauen und modernisieren. Wir wollen den Einsatz von Sekundärrohstoffen und die stärkere Berücksichtigung von Ressourcenschutz beim Produktdesign weiter verbessern.

→ Als Union wollen wir so schnell wie möglich zu normalen Haushalten zurück, um damit auch in Zukunft finanzielle Spielräume zu haben.

→ Wir wollen die Menge an Plastikmüll reduzieren und den verbleibenden Plastikmüll besser recyceln, indem wir auf wissenschaftlicher Grundlage prüfen, welche weiteren Produkte aus Kunststoff verzichtbar sind, weil ökologisch günstigere und bezahlbare Alternativen existieren. Mit dem Verbot bestimmter Einwegplastikartikel (z.B. Besteck, Trinkhalme, Wattestäbchen) so- wie Kunststofftragetaschen unternehmen wir hier bereits erste wichtige Schritte. Wir wollen Produkte und Produktgruppen identifizieren, bei denen der Einsatz von Rezyklaten in stärkerem Maße möglich ist, bis hin zu verbindlichen Einsatzquoten.

c) Klimafolgen und Anpassung: mehr Widerstandsfähigkeit

Wir wollen den Klimawandel so weit wie möglich eindämmen und unsere selbst gesteckten Klimaziele erreichen. Dabei sind wir auf einem guten Weg. Mit dem Klimaschutzprogramm 2030 gehen wir diesen Weg konsequent weiter. Dennoch sind die Folgen des Klimawandels spürbar. Wir müssen unsere Widerstandsfähigkeit, unsere Resilienz gegenüber dem Klimawandel erhöhen.

5. Wir verteidigen unsere Werte

Seit Wochen machen die mutigen Demonstrationen in Belarus deutlich, dass Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und die Wahrung der Menschen- rechte keine Selbstverständlichkeit sind, sondern immer wieder erkämpft und verteidigt werden müssen. Jahrzehntelang waren die Bürgerinnen und Bürger im Osten unseres Landes selbst der Repression durch ein Unrechtssystem aus- gesetzt, aus der sie sich selbst befreiten. Nicht zuletzt aus dieser Erfahrung heraus stehen wir heute fest an der Seite der Menschen, die friedlich gegen staatliche Willkür und Gewalt und für politische Selbstbestimmung und eine Zukunft in Freiheit eintreten.

Unser Einsatz für Menschenrechte gründet sich auf dem christlichen Menschenbild. Unser internationales Handeln ist fest verankert in den Werten unserer freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft. Als starkes Land in der Mitte Europas und weltweit vernetzte Wirtschaftsnation haben wir ein vitales Interesse an der Aufrechterhaltung einer friedlichen, stabilen, regelbasierten und gerechten globalen Ordnung. Gemeinsam mit unseren Partnern, vor allem in der EU und der NATO, werden wir uns in einer Zeit des schärfer werdenden geopolitischen Wettbewerbs neu behaupten müssen, um Frieden und Sicherheit in Europa zu erhalten, Beiträge zur Stabilisierung unserer direkten Nachbarschaft zu leisten, faire globale Handelsbeziehungen zu verhandeln und technische Innovationen zu nutzen.

Die transatlantische Partnerschaft als Garant unserer Sicherheit und Freiheit bewahren und ausbauen

Partnerschaft im Stresstest

Die transatlantischen Beziehungen unterliegen mehr denn je einem Stresstest. Der zunehmende Rückzug der USA aus ihrer Rolle als Wahrer und Verteidiger der regelbasierten internationalen Ordnung und die teils harsche Kritik des amtierenden US-Präsidenten an seinen Verbündeten, allen voran Deutschland, sorgt diesseits des Atlantiks für Irritationen. Dabei trägt die liberale Weltordnung mit ihren seit 1945 geschaffenen Institutionen wie vor allem den Vereinten Nationen, dem Internationalen Währungsfonds, der Weltbank und der Welthandelsorganisation von Beginn an die Handschrift der USA. Es zeigt sich leider eine zunehmende Entfremdung der deutschen Bevölkerung von den USA. Dadurch fühlen sich auch in Deutschland einige ermutigt, einen populistischen Antiamerikanismus und eine Abkehr von der transatlantischen Partnerschaft zu propagieren.

Deswegen ist es für die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag jetzt besonders wichtig, sich zur transatlantischen Partnerschaft zu bekennen und sich für sie mit aller Kraft zu engagieren – und dies nicht nur mit Worten. Denn eine funktionierende Partnerschaft mit den USA und Kanada ist existenziell für unser Land. Sie ist seit über 70 Jahren eine Erfolgsgeschichte zu beiderseitigem Nutzen. Wir brauchen sie, um auch die Herausforderungen der Zukunft zu meistern.

Was wir der Partnerschaft verdanken

Wir wissen, was wir historisch dieser Partnerschaft zu verdanken haben: Die Entwicklung der Bundesrepublik in Frieden, Freiheit und Wohlstand. Es waren die USA, die an vorderster Front dazu beigetragen haben, Deutschland vom verbrecherischen Regime der Nationalsozialisten zu befreien. Und sie waren es, die früh nach dem Krieg die Hand ausgestreckt haben, um Deutschland in die Familie demokratischer Staaten zu führen. Sie haben den wirtschaftlichen Wiederaufbau des Westens unseres Landes initiiert, den Schutz der Bundesrepublik und Europas gewährleistet und nicht zuletzt die Wiedervereinigung vorbehaltlos und maßgeblich unterstützt.

Heute sind wir gemeinsam über den Atlantik hinweg so eng, so tiefgehend und vielfältig verwoben wie sonst niemand in der Welt. Das Volumen und die Bedeutung des Wirtschaftsaustausches sucht seinesgleichen ebenso wie der Wissenschaftsaustausch. Und nicht zuletzt bestehen Millionen familiärer Verbindungen, die das enge Band der transatlantischen Freundschaft knüpfen und erhalten. In der Sicherheits- und Verteidigungspolitik schließlich gibt es kein engeres und erfolgreiches Bündnis als die NATO. Für Deutschland ist der fortbestehende konventionelle wie nukleare Schutz durch die USA existenziell und unverzichtbar angesichts eines immer dynamischer werdenden Umbruchs in der Welt.

Die veränderte transatlantische Realität

Doch die USA überdenken angesichts der Herausforderung durch ein aufsteigendes China ihr internationales Engagement – nicht zuletzt auch innerhalb der transatlantischen Partnerschaft. Sie sind nicht mehr bereit, sich in gleichem Maße in Europa und seiner Peripherie zu engagieren wie in der Vergangenheit. Die USA fordern Deutschland und Europa seit Jahrzehnten auf, mehr an ihrer Seite für Stabilität, Frieden und Freiheit weltweit zu tun. Doch Europa, das im globalen Handel und der internationalen Entwicklungszusammenarbeit ein Schwergewicht ist, agiert außen- und sicherheitspolitisch noch zu verhalten. Daraus resultieren die in weiten Teilen berechtigte Enttäuschung und die Kritik der USA an Europa und Deutschland – unabhängig von der jeweiligen Administration. Deshalb treten wir für eine stärkere Rolle Europas in der Außen- und Sicherheitspolitik ein.

Deutschland und Europa leisten signifikante Beiträge zu einer friedlichen und freiheitlichen internationalen Ordnung. Wir gestalten diese Ordnung engagiert mit, können sie aber nicht eigenständig garantieren. Dafür brauchen wir eine intakte transatlantische Partnerschaft und eine starke NATO mit einer wirkungsvollen und glaubwürdigen Sicherheitsgarantie für alle Mitgliedsstaaten. Das heißt auch, dass die Vereinigten Staaten auch im eigenen Interesse eine europäische Macht bleiben müssen.

Was zu tun ist

Die transatlantische Partnerschaft ist und bleibt unverzichtbar. Nur wenn wir sie wahren, werden wir unsere Interessen erfolgreich vertreten können: Sicherheit und Stabilität in Europa und unserer Nachbarschaft, eine regelbasierte und berechenbare internationale Ordnung, freie und faire globale Handelsbeziehungen, Fortschritt und Innovationen, die den Werten unserer Demokratien entsprechen. Das erfordert auch unsere klare politische Bereitschaft, zu dieser Partnerschaft verlässlich beizutragen.

Wollen wir ein Partner auf Augenhöhe sein, so müssen wir handeln:

Wir müssen den Wert, den Nutzen und die Bedeutung der transatlantischen Partnerschaft mehr leben, für sie werben und an ihr arbeiten. Deshalb wollen wir die Brücke über den Atlantik wieder stärken. Wir wollen den Austausch der Parlamente, der Streitkräfte, des Militärs, der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft intensivieren und massiv ausbauen. Wir wollen, dass insbesondere junge Menschen sich über den Atlantik hinweg kennen- und verstehen lernen. Dafür wollen wir ein deutsch-amerikanisches Jugendwerk einrichten und das erfolgreiche Jugendaustauschprogramm des Bundestages (Parlamentarisches Patenschaftsprogramm) verdoppeln. Wir wollen den 6. Oktober, an dem 1683 die ersten deutschen Auswanderer in den USA landeten und Germantown gründeten, zum Tag der deutsch-amerikanischen Freundschaft machen.

Wir wollen als transatlantische Partner gemeinsam weiterhin mit aller Kraft die NATO stärken. Wir wollen den bereits angestoßenen Reflexionsprozess nutzen, um die NATO als Herz der transatlantischen Beziehungen zu stärken und das Bündnis auf die neuen strategischen, militärischen und technologischen Herausforderungen vorbereiten. Angesichts der vielen Bedrohungen und Krisen weltweit müssen wir gemeinsam die Fähigkeiten, Strukturen und Handlungsmöglichkeiten der NATO verbessern.

Gemeinsame Sicherheitsverantwortung bedeutet auch, unterschiedliche Einschätzungen zu sicherheitsrelevanten Aspekten auszutauschen, zu diskutieren und gegebenenfalls zu akzeptieren. Zuallererst aber müssen Politiker diesseits und jenseits des Atlantiks es unterlassen, den Wert, die Stärke und die Geschlossenheit der NATO in Frage zu stellen. Es schadet dem Ansehen und der Geschlossenheit der NATO, wenn sich NATO-Partner untereinander mit Handelssanktionen bedrohen. Ebenso verbietet sich der Einsatz unilateraler Sanktionen mit Wirkung auf Drittparteien gegen verbündete Staaten oder private und öffentliche Unternehmen.

Es braucht mehr Bemühungen der europäischen Mitgliedstaaten, den europäischen Pfeiler der NATO zu stärken. Wir müssen transatlantisch bleiben und dafür europäischer werden. Denn nur wenn die NATO auf zwei vergleichbar starken Pfeilern steht, ist sie fit für die Zukunft. Für Deutschland wie seine europäischen Bündnispartner heißt das: Wir müssen mehr in Verteidigung investieren, mehr eigene militärische Fähigkeiten aufbauen und die Kooperation der Streitkräfte energisch und kreativ vorantreiben. Deutschland kann für diesen Weg nur glaubwürdig werben und Mitstreiter gewinnen, wenn es Vorbild ist und entschlossen vorangeht. Wir bekennen uns deshalb klar zum 2- Prozent-Ziel der NATO, wie von verschiedenen Bundesregierungen verbindlich zugesagt, wollen unsere Bundeswehr bedarfsgerecht ausstatten und unsere Zusage erfüllen, auch künftig 10 Prozent der Fähigkeiten des Bündnisses zu stellen. Dafür wollen wir mutig und beharrlich weiter in der Öffentlichkeit werben.

Wir wollen Europa weltpolitikfähig machen. Europa muss mehr Verantwortung schultern und mehr Lasten teilen. Dafür müssen wir in der Formulierung der Außen- und Sicherheitspolitik in der EU endlich entschluss- und durchsetzungsfähiger werden (Stichworte lauten: Abstimmungen mit qualifizierter Mehrheit und ein möglicher Europäischer Sicherheitsrat). Wir wollen die Streitkräfte in Europa besser und effizienter machen, indem wir bestehende oder neue strategisch relevante PESCO-Projekte engagiert vorantreiben.

Zugleich muss jedem klar sein, dass Europa auch weiterhin des Schutzes der USA bedarf. Europa kann nicht allein die strategischen Risiken, die bestehen, ausreichend abwehren oder moderieren. Wir Europäer müssen die enge Verzahnung mit den Streitkräften der USA wahren und vertiefen. Deswegen bleibt es für uns von höchstem Interesse, dass weiterhin US-Truppen in Europa und Deutschland in strategisch relevanter Fähigkeit und Umfang stationiert sind. Nicht zuletzt wegen unserer eigenen Sicherheit halten wir auch weiterhin an der nuklearen Teilhabe Deutschlands fest und werden dafür sorgen, dass diese Zusage auch durch moderne Fähigkeiten künftig gesichert bleibt. Es muss eine Selbstverständlichkeit bleiben, dass wir Ausrüstung für unsere Streitkräfte auch in den USA beschaffen, so wie wir den USA Ausrüstung liefern und immer bemüht sind, gemeinsam Rüstungsprojekte zu initiieren.

Gleichzeitig müssen wir gemeinsam mit den USA die Instrumente zur Nicht- Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und Trägersystemen (Nonproliferationsregime) stärken und neuen Schwung in die Abrüstungspolitik bringen.

Der Aufstieg Chinas und die aggressive Machtpolitik und militärische Aufrüstung Russlands fordern die transatlantische Partnerschaft ganz besonders. Eine Äquidistanz Deutschlands zu China bzw. Russland und den USA darf es nicht geben. Das verlangt mehr transatlantische Abstimmung über Fragen und Regionen, die bisher nicht im deutschen wie europäischen Fokus lagen. Konkret geht es vor allem um die Diskussion einer gemeinsamen transatlantischen Strategie im Umgang mit China. Grundsätzlich müssen wir gemeinsam enger mit interessierten Partnern weltweit kooperieren, die unsere Werte und Interessen teilen.

Kern aller unsere Bemühungen muss die Überzeugung sein, dass die transatlantische Partnerschaft eine Schicksalsgemeinschaft zu beiderseitigem Nutzen und elementar für den Frieden in Europa ist. Wir brauchen einander, wir wollen nicht ohne einander. Denn nur so bleibt unsere Zukunft gesichert.