Dobrindt: "Die EU ist ein Staatenverbund und kein Bundesstaat"
Der Vorsitzende der CSU im Bundestag, Alexander Dobrindt, hat nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu EZB-Anleihekäufen klare Erwartungen an die europäischen Institutionen formuliert.
Herr Dobrindt, darf das Bundesverfassungsgericht gegen den Europäischen Gerichtshof urteilen?
Das Urteil ist ein wichtiges Warnsignal an die EU-Institutionen, die europäischen Verträge einzuhalten und die Grenzen ihrer Kompetenzen zu wahren. Fakt ist: Die EU ist ein Staatenverbund und kein Bundesstaat. Über die Übertragung von Kompetenzen auf die europäische Ebene entscheiden die Mitgliedsstaaten, nicht die europäischen Institutionen. Eine schleichende europäische Kompetenzausweitung durch bewusste Kompetenzverletzungen der Institutionen entspricht nicht dem Geist der europäischen Verträge.
Heißt, die Europäische Kommission liegt mit ihrer Kritik am Urteil falsch?
Interessant ist doch, dass die Kritik an der Auseinandersetzung des Bundesverfassungsgerichts mit Kompetenzen europäischer Institutionen erst jetzt nach dem Urteil besonders groß wird. Ich empfehle der Europäische Kommission, sich als Hüterin der Verträge auch in der Pflicht zu sehen, auf die Kompetenzeinhaltung der europäischen Institutionen zu achten. Das Bundesverfassungsgericht hat ein historisches Urteil gesprochen und der EZB die Grenzen ihrer Kompetenzen klar aufgezeigt. Diese vertraglichen Grenzen wurden laut dem Bundesverfassungsgericht von der EZB ganz "offensichtlich" überschritten. Wir brauchen eine Debatte, wie wir bei den europäischen Institutionen eine klare Kompetenzeinhaltung erreichen, statt Kritik am Bundesverfassungsgericht, das Kompetenzüberschreitungen beanstandet.
Nationalstaat geht also immer vor Europa?
Nein, das sagt das Urteil nicht, aber das Urteil ermahnt dazu, dass jeder auf seinem Spielfeld spielt. Dass die jeweiligen Zuständigkeiten der politischen Ebenen respektiert werden, ist geradezu der Nukleus einer Europäischen Union. Die EU ist dann stark, wenn die europäischen Institutionen ihren vertraglichen Aufgaben nachkommen, statt sich neue Aufgaben anzumaßen. Kompetenzüberschreitungen verspielen Vertrauen und Akzeptanz – und führen zu Streitigkeiten. Der Urteilsspruch des Bundesverfassungsgerichts ist die unmissverständliche Aufforderung an die EZB, zurückzukehren zu ihrem eigentlichen Auftrag der Sicherstellung der Stabilität unserer gemeinsamen Währung. Ich begrüße das ausdrücklich.